Jetzt beraten lassen: 0511 96167-0

Google Bewertungen: ø 4,5/5

BNW Suche
Suchbegriff eingeben:
Neueste Kurse & Seminare

Zwischen Neutralität, Haltung und Hilflosigkeit

Freie Plätze
Online Seminar
Standortunabhängig online

Umgang mit Unsicherheit, Polarisierung und pädagogischer Verantwortung

Freie Plätze
Online Seminar
Standortunabhängig online

Jungenpädagogik zwischen Verantwortung und Orientierung

Freie Plätze
Online Seminar
Standortunabhängig online

Wie Unternehmen heute echte Expertise erkennen: Ihr Kompass in der Krise der Spezialisierung

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Meeting. Auf dem Tisch liegen Ausdrucke, in der Luft liegt Anspannung. Es geht um eine wichtige Entscheidung, vielleicht um eine neue Software, ein Projekt oder eine Veränderung in der Produktion. Alle haben ihre Argumente vorbereitet. Irgendwann sagt jemand: „Ich habe da einen Experten gefragt, der meint …“ Plötzlich wird es still. Denn in diesem Moment stellt sich die entscheidende Frage: Wer ist dieser Experte, und warum sollten wir ihm glauben?

So beginnt sie, die alltägliche Unsicherheit im Umgang mit Wissen. Es gibt für jedes Thema Fachleute, Berater:innen und Coaches. Doch wer besitzt wirklich Expertise? Und woran erkennen wir sie? Wir leben in einer Zeit, in der Wissen allgegenwärtig ist, aber Orientierung fehlt. Der Soziologe Gil Eyal spricht von einer „Krise der Expertise“. Damit meint er das, was viele im Arbeitsalltag spüren: Je spezialisierter alles wird, desto schwieriger wird es, Vertrauen aufzubauen. Genau hier beginnt die Suche nach echter Expertise.

Was wir für Expertise halten

Im Unternehmensalltag folgen wir oft bestimmten Zeichen. Ein Titel, ein Zertifikat, eine souveräne Präsentation oder das Interview in einem Fachmagazin. All das signalisiert Wissen und Seriosität. Doch diese Signale können täuschen. Denn Expertise ist nicht nur Wissen, sondern auch etwas, das uns andere zuschreiben. Manchmal wirkt jemand kompetent, weil sie oder er überzeugt auftritt oder die richtigen Begriffe benutzt. Aber überzeugend zu klingen ist nicht dasselbe wie etwas wirklich zu verstehen.

Das bedeutet nicht, dass Titel oder Qualifikationen wertlos sind. Sie schaffen Vertrauen, aber sie ersetzen kein echtes Verständnis. Echte Expertise zeigt sich anders. Sie zeigt sich darin, wie jemand mit Unsicherheit umgeht. Sie zeigt sich in der Fähigkeit, Zusammenhänge zu erklären, statt nur Begriffe zu wiederholen. Und sie zeigt sich darin, dass jemand bereit ist zuzugeben, wenn Wissen unvollständig ist.

Die Kunst des Zweifelns

Gute Expertinnen und Experten behaupten nicht, auf jede Frage eine Antwort zu haben. Sie sind sich bewusst, dass Wissen immer vorläufig ist. Wenn jemand im Unternehmen auf komplexe Fragen sofort klare Lösungen präsentiert, sollte man hellhörig werden. Wirkliche Fachleute erklären, was man weiß, was man vermutet und wo Lücken bestehen. Sie sind ehrlich über Unsicherheiten und beschönigen keine Daten.

Skepsis ist in diesem Zusammenhang keine Schwäche, sondern eine Stärke. Sie schützt vor schnellen Fehlentscheidungen und macht den Blick frei für Alternativen. Die besten Entscheidungen entstehen nicht dort, wo man sich einig ist, sondern dort, wo man bereit ist, unterschiedliche Sichtweisen auszuhalten. Wer Expertise richtig einschätzen will, sollte also nicht nach Gewissheit suchen, sondern nach Offenheit.

Die Autobahn des Wissens

Ein anschauliches Bild hilft, den Umgang mit Expertise im Unternehmen zu verstehen. Man kann sich das Wissen als dreispurige Autobahn vorstellen. Auf der rechten Spur fahren die Spezialist:innen, die tief in ihren Themen arbeiten, Daten analysieren und Modelle entwickeln. Sie bewegen sich langsam, aber mit großer Präzision. Auf der linken Spur fährt das Management. Dort sitzen diejenigen, die schnell entscheiden müssen. Sie handeln oft auf Basis unvollständiger Informationen, weil sie gar nicht warten können, bis alle Fragen beantwortet sind.

In der Mitte treffen sich beide Welten. Hier fahren die Übersetzerinnen und Übersetzer. Sie verstehen genug von der Forschung, um ihre Ergebnisse zu interpretieren, und genug vom Management, um sie in Entscheidungen zu überführen. Diese Übersetzer machen Wissen handlungsfähig. Ohne sie bleibt Forschung Theorie, und Entscheidungen werden zum Zufall.

In jedem Unternehmen gibt es diese drei Spuren. Die Kunst besteht darin, sie miteinander zu verbinden. Gute Kommunikation, gegenseitiger Respekt und klare Verantwortung sorgen dafür, dass Wissen nicht im Elfenbeinturm bleibt, sondern Nutzen stiftet.

Wenn Erfahrung wichtiger ist als Theorie

Nicht jede Form von Expertise beruht auf akademischem Wissen. Erfahrung kann ebenso wertvoll sein. Ein bekanntes Beispiel ist die Höhlenrettung in Thailand im Jahr 2018. Zwölf Jungen waren in einer überfluteten Höhle gefangen. Wissenschaftler und Militärs suchten nach Lösungen, doch am Ende gelang die Rettung durch eine kleine Gruppe erfahrener Hobbytaucher. Sie hatten kein wissenschaftliches Labor, aber sie kannten die Bedingungen unter Wasser, sie verstanden die Risiken und sie wussten, was in der Praxis funktioniert. Ihre Erfahrung rettete Leben.

Im Unternehmen ist das nicht anders. Die Kollegin, die seit Jahren in der Produktion arbeitet, erkennt oft schneller, wo ein Fehler im Prozess liegt, als jede Analyse. Der Servicetechniker, der täglich beim Kunden ist, versteht, was Menschen wirklich brauchen. Dieses Erfahrungswissen entsteht über viele Jahre und ist oft unsichtbar. Doch wer es ignoriert, verschenkt Potenzial.

Ein kluges Unternehmen verbindet Theorie und Praxis. Es hört auf die Wissenschaftler:innen, aber auch auf die Praktiker:innen. Beide Perspektiven ergänzen sich. Erst wenn Daten, Erfahrung und Intuition zusammenwirken, entstehen tragfähige Lösungen.

Wissen, das geteilt wird, wird stärker

Gute Expertise lebt vom Austausch. Wenn verschiedene Fachbereiche miteinander sprechen, entsteht etwas Neues. Ingenieurinnen sehen plötzlich die Perspektive des Vertriebs, die Personalabteilung versteht die technischen Anforderungen, und das Marketing erkennt, was in der Produktion wirklich möglich ist. So entsteht kollektives Wissen.

Damit das funktioniert, braucht es eine Kultur des Teilens. In solchen Unternehmen wird Wissen nicht gehortet, sondern offen weitergegeben. Fragen sind erlaubt, und niemand verliert Ansehen, wenn er etwas nicht weiß. Diese Haltung macht Organisationen lernfähig. Sie sorgt dafür, dass Expertise wächst und sich ständig weiterentwickelt.

Wo Menschen miteinander sprechen, wächst Vertrauen. Und wo Vertrauen wächst, wird Wissen wirksam.

Wenn Expertise zu Macht wird

Expertise ist wertvoll, aber sie darf nicht zur Waffe werden. Manchmal erleben Unternehmen, dass Fachwissen zum Machtinstrument wird. Dann übernehmen die Expertinnen und Experten die Entscheidungsrolle, und das Management zieht sich zurück. Das klingt vernünftig, führt aber zu einer gefährlichen Schieflage.

Wissen darf Entscheidungen unterstützen, aber es darf sie nicht ersetzen. Verantwortung bleibt immer bei den Führungskräften. Nur sie können abwägen, welche Ziele, Werte und Prioritäten in einer Entscheidung eine Rolle spielen. Fachwissen ist wichtig, aber es ist nur ein Teil des Ganzen. Unternehmen, die das verstehen, nutzen Expertise als Werkzeug, nicht als Ersatz für Führung.

Fazit: Der Kompromiss als Stärke

Echte Expertise ist kein Titel und keine Position. Sie ist eine Haltung. Sie entsteht, wenn Menschen ihr Wissen teilen, ihre Grenzen kennen und offen für Neues bleiben. Sie wächst im Dialog und in der Bereitschaft, Unsicherheit auszuhalten.

Im Alltag zeigt sie sich darin, wie Menschen miteinander arbeiten. In Unternehmen, die Wissen ernst nehmen, geht es nicht um Rechthaben, sondern um Verstehen. Dort werden Fachwissen, Erfahrung und Entscheidungsstärke miteinander verbunden.

Wer Expertise so versteht, schafft eine lernende Organisation. Eine, in der Wissen lebendig bleibt und Vertrauen wachsen kann. Am Ende ist Expertise kein Statussymbol, sondern ein gemeinsamer Kompass, der hilft, in einer komplexen Welt Kurs zu halten.

Für Sie empfohlen

Wollen Menschen geführt werden? Warum moderne Führung weit mehr ist als Kontrolle

Die Tür fällt ins Schloss. Ein schwerer Konferenztisch, gedämpftes Licht, gespannte Blicke. Ein Team sitzt im Raum, die Laptops geschlossen,

Transformation gestalten: Der Transformationshub Osnabrück stellt sich vor

In einer Zeit, in der Märkte, Technologien und Arbeitswelten sich schneller verändern als je zuvor, stehen kleine und mittelständische Unternehmen

Der Kafka Effekt: Warum weniger Bürokratie nicht automatisch bessere Organisationen schafft

Bürokratieabbau, Verschlankung, Agilität: Diese Begriffe dominieren seit Jahren die Managementliteratur. Viele Unternehmen haben Prozesse radikal reduziert. Doch ein paradoxes Muster