Unser heutiger Interviewpartner ist Prof. Dr. Stefan Doose, ein Experte auf dem Gebiet der unterstützten Beschäftigung. Mit seinem Hintergrund in Sozialwissenschaften, Deutsch und Behindertenpädagogik sowie einem Masterabschluss in Special Education and Rehabilitation von der University of Oregon bringt er umfangreiche Erfahrungen und Kenntnisse mit. Seit den 1990er Jahren beschäftigt er sich intensiv mit dem Konzept der unterstützten Beschäftigung und der persönlichen Zukunftsplanung.
Was ist unterstützte Beschäftigung?
Unterstützte Beschäftigung, auch bekannt als „Supported Employment“, ist sowohl eine Philosophie als auch eine Methodik. Sie zielt darauf ab, Menschen zu unterstützen, die bei der Vermittlung und Sicherung eines Arbeitsplatzes Hilfe benötigen. Dies umfasst nicht nur Personen mit Beeinträchtigungen, sondern auch Menschen mit sozialen Benachteiligungen oder Migrations- und Fluchterfahrungen.
Das Kernprinzip besteht darin, reguläre Arbeit mit leistungsangemessener Bezahlung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes zu ermöglichen. Ein:e Jobcoach:in oder Integrationsberater:in begleitet die Person individuell, erstellt ein Fähigkeitsprofil und identifiziert passende Betriebe. Durch Arbeitsplatzanalysen werden Tätigkeiten und Arbeitsumfeld angepasst, um den spezifischen Bedürfnissen gerecht zu werden. Dabei kommen auch Hilfsmittel wie Sprachmemos oder visuelle Anleitungen zum Einsatz.
Die Rolle des Jobcoachings
Ein zentraler Bestandteil der unterstützten Beschäftigung ist das Jobcoaching. Der Jobcoach arbeitet eng mit einem/einer betrieblichen Mentor:in zusammen, um die Einarbeitung zu begleiten und zusätzliche Unterstützungsbedarfe zu identifizieren. Er oder sie fungiert auch als Bindeglied zwischen den Arbeitnehmer:innen und dem Betrieb, hilft bei der Kommunikation und unterstützt bei der Lösung von Problemen. Ziel ist es, sich nach und nach zurückzuziehen und die Selbstständigkeit der Arbeitnehmer:innen zu fördern, während bei Bedarf weiterhin Unterstützung verfügbar ist.
Anwendung und Zielgruppe
Das Konzept der unterstützten Beschäftigung ist breit gefächert und nicht auf bestimmte Voraussetzungen beschränkt. Es kann für Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen ebenso angewendet werden wie für Jugendliche aus der Jugendhilfe oder Personen mit Flucht- und Migrationserfahrungen. Entscheidend ist der individuelle Unterstützungsbedarf und die Anpassung der Arbeitsumgebung an die Fähigkeiten der Person.
Es gibt gesetzliche Maßnahmen wie die “Unterstützte Beschäftigung” nach dem Sozialgesetzbuch, die bestimmte Zugangsbedingungen haben. Doch das Konzept an sich ist flexibel und kann in verschiedenen Kontexten eingesetzt werden. Projekte wie “Auf Achse” in Hamburg zeigen, wie Menschen, die als nicht werkstattfähig gelten, erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden können. (https://lmbhh.de/projekteund-themen/teilhabe-am-arbeitsleben/auf-achse)
Unterschied zu traditionellen Maßnahmen
Ein wesentlicher Unterschied zu traditionellen Rehabilitationsmaßnahmen liegt im Ansatz “Erst platzieren, dann trainieren”. Statt Menschen in endlosen Trainingsmaßnahmen vorzubereiten, werden sie direkt in den Betrieb integriert und erhalten dort die notwendige Unterstützung. Dies fördert die Motivation und ermöglicht es, reale Erfahrungen im Arbeitsumfeld zu sammeln.
Phasen der unterstützten Beschäftigung
- Erstellung eines individuellen Fähigkeitsprofils: Identifikation von Stärken, Fähigkeiten und Unterstützungsbedarf.
- Individuelle Arbeitsplatzakquise: Suche nach passenden Betrieben und Positionen.
- Vorbereitung des Arbeitsplatzes: Anpassungen und Arbeitsplatzanalysen werden durchgeführt.
- Begleitete Einarbeitung (Jobcoaching): Unterstützung bei der Einarbeitung und Integration ins Team.
- Nachsorge und langfristige Begleitung: Bei Bedarf steht ein Jobcoach weiterhin zur Verfügung.
Qualifikationen eines Jobcoaches
Ein Jobcoach benötigt vielfältige Kompetenzen:
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Umgang mit verschiedenen Branchen und Arbeitsumgebungen.
- Kommunikative Fähigkeiten: Effektive Kommunikation mit Arbeitgeber:innen, Kolleg:innen und Arbeitnehmer:innen.
- Methodische Kenntnisse: Einsatz von Hilfsmitteln und Techniken zur Unterstützung der Arbeitnehmer:innen.
- Empathie und Wertschätzung: Verständnis für die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen.
Herausforderungen und Ausblick
Obwohl es bereits erfolgreiche Projekte und etablierte Dienste gibt, steht die unterstützte Beschäftigung vor der Herausforderung, flächendeckend verbreitet zu werden. Regionale Unterschiede und unterschiedliches Engagement der Akteur:innen führen zu einer ungleichen Verteilung der Angebote. Es bedarf weiterer Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die unterstützte Beschäftigung als festen Bestandteil des Arbeitsmarktes zu etablieren.
Fazit
Die unterstützte Beschäftigung bietet sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch für Arbeitgeber:innen zahlreiche Vorteile. Sie ermöglicht eine inklusive Arbeitswelt, in der Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Hintergründen ihren Platz finden. Unternehmen profitieren von motivierten Mitarbeiter:innen und können ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden. Prof. Dr. Stefan Doose betont, dass Inklusion bedeutet, jedem das Recht zu geben, dort zu arbeiten, zu spielen und zu leben, wo auch andere Menschen sind. Die unterstützte Beschäftigung ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Weiterführende Informationen
Für Interessierte bietet die Bundesarbeitsgemeinschaft für unterstützte Beschäftigung zahlreiche Ressourcen und Projektbeispiele. Auch Unternehmen, die über eine Beteiligung nachdenken, können dort Unterstützung finden. (www.bagub.de)
Dieser Artikel basiert auf einem Interview mit Prof. Dr. Stefan Dose über das Konzept der unterstützten Beschäftigung und dessen Bedeutung für einen inklusiven Arbeitsmarkt. Veröffentlicht auf dem YouTube-Kanal: path2in – Lernpfade in die inklusive Pädagogik