Sie ärgern sich über Ihren Azubi, weil Sie das Gefühl haben, er hört Ihnen nicht zu? Neue Inhalte prallen scheinbar an ihm ab, er hinterfragt alles, was Sie sagen und möchte endlos mit Ihnen diskutieren? Diese Problematik könnte mit der Art und Weise zusammenhängen, wie Ihr Azubi lernt. Wird er über Wahrnehmungskanäle angesprochen, die er beim Lernen nicht bevorzugt und die deshalb für ihn auf Dauer anstrengend sind, kann er die Konzentration nicht so aufrechterhalten, wie Sie es sich wünschen. Sind Sie sicher, dass Sie Ihrem Azubi die Lernmethoden bieten, die er braucht? Ein möglicher Weg dorthin führt über das Erkennen von Lerntypen und ihren unterschiedlichen Präferenzen. Kennen Sie schon die 4 Lerntpyen von Frederic Vester?
Die 4 Lerntypen nach Frederic Vester
Jeder Mensch hat bei der Wissensaneignung ein individuelles Lernverhalten. Es lassen sich aber Stärken und Schwächen sowie bestimmte Vorlieben beobachten und in sogenannten Lerntypen zusammenfassen. Frederic Vester hat ein bekanntes Didaktikmodell mit vier Lerntypen entwickelt, die sich über verschiedene menschliche Wahrnehmungskanäle voneinander abgrenzen:
- Der visuelle Lerntyp (Sehen): Kann Bilder und Textzeilen einfach aufnehmen und sich Informationen beim Betrachten oder Lesen gut merken.
- Der auditive Lerntyp (Hören): Bleibt auch bei langen Vorträgen konzentriert und lernt, indem er zuhört oder neuen Lernstoff laut ausspricht.
- Der motorische Lerntyp (Fühlen): Setzt neues Wissen praktisch um und lernt durch Ausprobieren und Erfahrungen.
- Der Kommunikative Lerntyp (Sprechen): Hat Probleme, alleine zu lernen und benötigt Hilfe in Form einer Lerngruppe oder eines Lernpartners, um ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, in Diskussionen aktiv zu verstehen und durch den Austausch die Zusammenhänge zu erfassen.
Bei den Kategorien handelt es sich um Idealtypen, die sich in der Realität mischen können. Hinzu kommt, dass wir umso besser lernen, je vielfältiger unsere Sinne angesprochen werden. Auch kann der Lernende entweder Personen oder Medien bevorzugen, die ihm den neuen Lernstoff präsentieren. Wichtig ist, dass jeder Mensch seine individuellen Stärken und Schwächen und seine eigene Art und Weise beim Aneignen von neuem Wissen hat.
Das können Sie den 4 Lerntypen bieten
Fragen Sie Ihren Azubi nach seinen Stärken und Schwächen und danach, was er in seiner Freizeit gerne macht. So können Sie Hinweise zum Lernverhalten sammeln und den Lerntypen zuordnen. Versuchen Sie, die Erkenntnisse in Ihrem Lehrplan zu berücksichtigen und probieren Sie zusammen mit Ihrem Azubi verschiedene Lernmethoden aus, um sich gezielt Wissen anzueignen.
- Visuell: Vermitteln Sie neues Wissen bevorzugt über Bilder und Grafiken, machen Sie Arbeitsschritte vor und wiederholen diese mehrfach. Passendes Medium: Erklärvideos, beispielsweise über YouTube.
- Auditiv: Hier ist Ihre Stimme gefragt. Lesen Sie Inhalte laut vor, fassen sie in Merksätzen zusammen und wiederholen diese, vielleicht sogar gemeinsam mit Ihren Azubis. Dazu sollten Sie eine ruhige Umgebung schaffen, um Ablenkungen und Störungen zu vermeiden. Stellen Sie sicher, dass Ihr Azubi Sie hört. Passendes Medium: Podcasts, beispielsweise über Spotify.
- Motorisch: Geben Sie Ihrem Azubi die Möglichkeit, dass er Aufgaben von Anfang an selbst durchführt. Auch wenn es zunächst nicht klappt, ermutigen Sie ihn zum Ausprobieren. Wenn Sie im Dienstleistungsbereich tätig sind und weniger in der Produktion, dann üben Sie neue Abläufe aktiv in einem Rollenspiel. Je mehr Bewegung und haptische Wahrnehmung im Spiel sind, desto besser. Passendes Medium: Virtuelle Rollenspiele, beispielsweise durch Nutzung einer VR-Brille.
- Kommunikativ: Legen Sie Ihren Schwerpunkt beim Vermitteln des neuen Lernstoffs auf das Erklären der Zusammenhänge und begründen Ihrem Azubi, „warum, wieso und weshalb“ die Arbeitsschritte so sind. Lassen Sie Fragen zu und zeigen Sie sich offen für Diskussionen. Wer weiß, vielleicht lernen Sie selbst noch dazu? Passendes Medium: Interaktive Lernplattformen, beispielsweise das virtuelle Klassenzimmer.
Häufig gehen wir unbewusst davon aus, dass die Lernmethode, mit der wir selbst am besten zurechtkommen, die richtige ist. Dass Azubis ganz unterschiedliche Lernverhalten mit individuellen Präferenzen haben, wird oft übersehen. Machen Sie sich dies bewusst und nehmen Sie sich Zeit, um den dominierenden Lerntyp Ihres Azubis zu erkennen und darauf eingehen zu können. So ersparen Sie sich und dem Lernenden frustrierende Konfrontationen, die beide Seiten Kraft kosten. Freuen Sie sich lieber mit ihm über seine Lernerfolge. Je größer diese sind, desto besser haben auch Sie Ihre Aufgabe als Ausbilder erfüllt. Klingt nach einem fairen Deal, finden Sie nicht?
Unabhängig vom Lerntyp können Sie bei Ihren Azubis vor allem mit einem punkten: Wertschätzung. Auch wenn eine Aufgabe aus Ihrer Sicht leicht zu lösen ist, für Ihren Azubi bedeutet sie vielleicht große Überwindung. Aufgaben, die wir kontinuierlich über Jahre hinweg erledigen, kommen uns „normal“ und einfach vor. Wir können uns schwer in die Situation hineinversetzen, diese Aufgabe zum ersten Mal zu erledigen. Zeigen Sie Verständnis, wenn etwas noch nicht klappt und motivieren Sie Ihren Azubi, es erneut zu probieren. Sagen Sie ihm, dass er seine Sache gut gemacht hat und schicken Sie ihn mit diesem Erfolgsgefühl nach Hause. So bauen Sie langfristig ein Vertrauensverhältnis auf und werden die Wertschätzung auch von der Gegenseite erleben.
Die 4 Lerntypen – Hören, sehen, sprechen und machen
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