Emotionaler, nachgiebiger, empathischer: Das sind die häufigsten Nennungen, wie sich weibliche Führungskräfte von ihren Kollegen unterscheiden. Die Gefahr, bei der Beantwortung dieser Frage auf Klischees zurückzugreifen oder sich gar darin zu verlieren, ist groß. Frauen gelten hinlänglich als die „weicheren“ Führungskräfte und punkten – so das Vorurteil – eher in Soft Skills als in harten Management-Themen. Doch stimmt das wirklich? Und wie ist es dann erfolgreichen Business-Frauen wie Milagros Caiña Carreiro-Andree (BMW), Tina Müller (Douglas) oder Lisa Davis (Siemens) gelungen, sich in deutschen Chefetagen einen festen Platz zu erobern? Eine Spurensuche.
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Frau vs. Mann – wer hat den härteren Führungsstil?
Mutig, tough, klug – so lauten häufig die Beschreibungen der Erfolgsrezepte von weiblichen Managern. Doch gilt das nicht für Männer ebenso? Forscher haben herausgefunden, dass die Unterschiede zwischen männnlichem und weiblichem Führungsstil nur minimal sind. Um genau zu sein, sind es noch nicht einmal Unterschiede: Frauen setzen lediglich die Schwerpunkte ihrer Führung anders als Männer – zu diesem Ergebnis kommen alle gängigen Studien zum Thema.
Eine Studie des Verbands deutscher Unternehmerinnen hat ergeben, dass Frauen mehr auf Kreativität, Fürsorglichkeit und Teamfähigkeit setzen, Männer hingegen eher von einer „Ellbogen-Mentalität“ gesteuert werden und schneller Entscheidungen treffen.
Die Studie belegt weitere Prioritäten von Managerinnen:
- Intensive Kundenbindungen und gute Beziehungen zu Mitarbeitern
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Männer hingegen setzen auf:
- Finanzielle Vorteile
- Sachliche Leistungen wie Dienstwagen und Firmenhandys
Eine empirische Studie der Uni Mannheim und des Studienzentrums in Bonn allerdings räumt endgültig mit dem Klischee auf, Frauen seien empathischer und daher weniger durchsetzungsstark. Das Ergebnis zeigt, dass Männer sogar eher zum sogenannten „Laissez-faire“-Führungsstil neigen als Frauen. Mehr Regeln und klare Führungsworte gäbe es eher in frauengeführten Unternehmen. Doch woran liegt es dann, dass Frauen in der Führung nicht so erfolgreich sind wie Männer?
Führungskräfteentwicklung für den Mittelstand
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Effekte weiblicher Führung
Implizite Führungstheorien gehen davon aus, dass Mitarbeiter ein Idealbild einer Führungskraft haben, das sie mit der Realität vergleichen und in das sie ihre Führungskraft einordnen. Solche Archetypen sind vorrangig „der selbstaufopfernde, entschlossene Held“ oder der „charaktervolle, integere Vater“.
In den Forschungen von Early und Karau (2002) finden sich interessante Erklärungen, warum diese Idealbilder nicht mit weiblichen Führungskräften kompatibel scheinen: Die Wissenschaftler legen dar, dass zwischen den Charakteristika von Frauen und der Rolle als Führungskraft Imkompabilitäten existieren würden. Diese würden darin bestehen, dass Frauen, die männliche Muster und Führungsstile zeigen, aufgrund der Inkongruenz zur Rollenerwartung per se negativ bewertet werden. Anders formuliert: Frauen werden negativer bewertet, wenn sie geschlechteruntypische Emotionen und Verhaltensweisen zeigen. Und die bitterste Pille stammt von dem Forscherteam Butler & Geis. Sie haben herausgefunden, dass sowohl Männer als auch Frauen negative affektive Reaktionen auf Frauen in Führungspositionen zeigen. Summa summarum ein schier auswegloses Dilemma?
Im Gegenteil. Denn viele Studien zeigen auch, dass ein hoher Anteil von Frauen im Management sich eindeutig positiv auf das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens auswirkt. Mehr noch: Unternehmen, deren Vorstand einen hohen Frauenanteil aufweist, sind nachweislich finanziell erfolgreicher. Da haben viele Unternehmen in Europa großen Nachholbedarf: Die Schweiz liegt im europäischen Vergleich auf den hintersten Rängen, Vorreiter sind Norwegen und Frankreich, Deutschland liegt im Mittelfeld. Doch ist es „nur“ eine Frage der Haltung, sprich der Einstellung?
Wenn es darum geht, in typisch männlichen Branchen erfolgreich zu sein, punkten Frauen sogar eher als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Sie werden zwar feindseliger betrachtet und als weniger sympathisch angesehen – werden aber als Führungskraft eher akzeptiert und manchmal sogar als Führungskraft gewünscht. Ein möglicher Grund könnte sein, dass Frauen sich in männlich dominierten Branchen deutlicher von ihren Kollegen unterscheiden (wollen) und dadurch generell bei den Mitarbeitern punkten, die einen patriachalischen Führungsstil ablehnen. Viele Vertreter der Generationen Y und Z zählen zu dieser Gruppe von Mitarbeitern.
Der Schlüssel liegt in der Persönlichkeit
Frauen neigen häufiger dazu, den transformationalen Führungsstil zu gebrauchen – vielleicht liegt darin ihre wahre Stärke? „Zu diesem Führungsstil gehört es, Mitarbeitern auf Augenhöhe zu begegnen und sich mehr als Sparringspartner und Mentor zu verstehen. Frauen, die gut darin sind, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter zu lesen, haben den Schlüssel zu deren Motivation in der Hand“ – erläutert Mira Mühlenhof, Führungskräftetrainerin beim Bildungswerk der Niedersächsichen Wirtschaft (BNW). „Frauen gelingt es eher, Mitarbeiter durch Verständnis für deren Themen und Lebensumstände zu motivieren“. Wenn also wirklich etwas dran ist, dass Frauen empathischer sind als ihre Kollegen, dann sollten sie diesen Trumpf auch spielen.
Ob Frauen das gelingt, liegt in ihrer Persönlichkeitsstruktur. Sie ist dafür verantwortlich, wie einfühlsam, hilfsbereit, macht- oder erfolgsorientiert Menschen sind. Und da Frauen sich in ihren Persönlichkeiten genauso unterscheiden wie Männer, gibt es die „typisch weibliche Führungskraft“ gar nicht. Vielmehr entscheidet jede Frau gemäß ihrer Persönlichkeit selbst, wie sie als Führungskraft wirken will.
Drei Tipps, um als weibliche Führungskraft erfolgreich zu sein
- Lassen Sie sich nicht verbiegen. Stehen Sie zu Ihrer Persönlichkeit mit all ihren Stärken und Schwächen, die haben andere auch. Was allerdings wichtig ist: Sie sollten sich selbst durch und durch kennen und mit einem Coach erarbeiten, was Ihre „blinden Flecke“ und Ihre Achillesfersen sind, damit Sie selbstbewusst wirken und sich im Fall einer Attacke souverän verteidigen können.
- Lernen Sie, mit Ihren Emotionen umzugehen. Es ist nichts dabei, emotional zu sein. Viel wichtiger ist die Frage, wie Sie Ihre Emotionen im Zaum halten, wenn es notwendig ist. Und ja: das gilt für Männer gleichermaßen!
- Verkleiden Sie sich nicht. Wenn Sie schon vor dem Karrieresprung gern bunte Kleider getragen haben, tun Sie es auch weiterhin. Die Zeiten, in denen weibliche Führungskräfte nur in dunklen Hosenanzügen auftreten konnten, sind zum Glück lange vorbei.
Video: Female Leadership: 7 praktische Ansätze für Diversität und Empowerment
Fazit
Weibliche Führungskräfte weisen keinen deutlich anderen Führungsstil auf als ihre männlichen Kollegen, sie setzen nur ihre Schwerpunkte anders. Wie männlich oder weiblich sie wirken, hat mehr mit der Persönlichkeit zu tun als mit einem bevorzugten Führungsstil. Wenn Unternehmen das verstehen und beherzigen, können sie vielleicht leichter wichtige Führungspositionen mit weiblichen Führungskräften besetzen. Dafür wäre dann auch keine Quote mehr nötig.
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