In der Elektroindustrie bewegt sich einiges. Demografische und digitale Entwicklungen sorgen dafür, dass der langfristige Bedarf an Fachkräften wächst. Berufe wie Mechatroniker, Industriemeister Elektrotechnik, Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten und Elektroniker für Automatisierungstechnik sind sehr gefragt. Sie sind angesichts von Entwicklungen wie Erneuerbare Energien, IoT, Smart Grids und Robotisierung für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Elektroindustrie entscheidend. Zu den absoluten Trendberufen gehören auch die IT-Berater und Software-Entwickler. Entsprechend gut sind die Perspektiven, in diesen Bereichen einen sicheren Job zu finden.
Dieser Trend ist für viele Unternehmer mit einer Neuorientierung und Anpassung der eigenen Geschäftsmodelle verbunden. Es gilt an der eigenen Zukunftsfähigkeit zu arbeiten. Dafür müssen nicht nur neue Fachkräfte gewonnen, sondern auch die bestehenden Mitarbeiter weitergebildet und gefördert werden. Denn die Berufe im Bereich Elektronik und Elektrotechnik sind ein gutes Beispiel für das sogenannte Fachkräfteparadoxon.
Lösung für das Fachkräfteparadoxon: Eine Weiterbildung Elektrotechnik
Da bis zum Jahr 2040 die Babyboomer-Generation komplett aus dem Erwerbsleben scheiden wird, sinkt die Zahl der Erwerbspersonen. Gleichzeitig zeigen Zukunftsforschungen, in Form von Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen auf, welche Tätigkeiten bis dahin sehr häufig gesucht werden. Ergebnis des QuBe-Projekts: Neu entstehende und wegfallende Arbeitsplätze halten sich bis 2040 mit jeweils 3,6 Mio. die Waage.
Das bedeutet, wir haben es mit einer zunehmenden Gleichzeitigkeit der Fachkräftesuche auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit einem Jobabbau zu tun. Das Ergebnis sind Kompetenzverschiebungen: Unternehmen prüfen ihre zukünftigen Bedarfe und richten ihre Personalentwicklungskonzepte daran aus. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erlernen erweiterte – oder ganz neue Kompetenzen – um im Beruf fit zu bleiben. Der klassische Ansatz ist eine Weiterbildung, ein Seminar oder eine nachträgliche Ausbildung, etwa durch Teilqualifizierung (TQ). Geht es dabei um elektrotechnische Anlagen, profitieren beide Seiten ganz besonders. Das Fachkräfteparadoxon – Arbeitskräfteknappheit bei gleichzeitigem Arbeitskräfteüberschuss – tritt hier besonders offen zutage.
Jessica Beuse, Personalreferentin bei der Wernsing Feinkost GmbH, sagt, dass das Thema Elektrotechnik sowohl in der Produktion als auch in der Logistik, Infrastruktur und Instandhaltung eine immer größere Rolle spielt. Die Personalreferentin bilanziert: „Durch die Qualifizierung unserer Mitarbeitenden möchten wir erreichen, dass sie mit Problemen umgehen können, die nicht explizit ihrem Fachbereich zugeordnet werden. Dadurch sollen sie Sicherheit in der flexiblen Aufgabenbearbeitung gewinnen. Mit der Stärkung des Know-hows für elektrotechnische Arbeiten möchten wir unseren Mitarbeitenden Wertschätzung entgegenbringen und sie für zukünftige Aufgaben befähigen. Gut ausgebildetes Personal ist aus unserer Sicht der Schlüssel für die erfolgreiche Zukunft unseres Unternehmens.“
Die Wernsing Feinkost GmbH ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in Oldenburger Region. Viele Unternehmensbereiche werden im Hinblick auf die Digitalisierung, Industrie 4.0 und dem Einsatz künstlicher Intelligenz modernisiert. Davon betroffen sind vor allem die Bereiche Logistik und Produktion, da hier verstärkt auf Automatisierung gesetzt wird.
Sowohl der Einsatz neuer Technologien als auch die Nachqualifizierung der Beschäftigten lassen im Unternehmen weitere Herausforderungen entstehen. Zum einen verlangt die Modernisierung viel Flexibilität von den Mitarbeitenden. Um bei all den neuen Technologien mithalten zu können, benötigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die passende Weiterbildung Elektrotechnik.
Wie zukunftsorientierte Unternehmerinnen und Unternehmer mit dem Ausbau der Elektrotechnik umgehen
Die Arbeitsprozesse der Elektrotechnik, Informationstechnik und Elektromaschinenbau werden sich auch zukünftig stark verändern. Die Berufsbilder benötigen eine Berufsausbildung, die das Verständnis von Elektronik vermehrt ins Zentrum rückt und die Auszubildenden vermehrt zum digitalen Arbeiten ermutigt. Um dies umzusetzen hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gemeinsam mit weiteren Bundesministerien sowie den Sozialpartnern und Sachverständigen aus der Praxis die Ausbildungsinhalte der handwerklichen Elektroberufe modernisiert. Prüfungsregelungen wurden ebenfalls vereinheitlicht. Die Neugestaltung der Berufsgruppe ist ein klares Signal – unabhängig davon sollten sich Unternehmen Gedanken darüber machen, wie sie elektrotechnische Berufe in ihrem Unternehmen fördern und mit Weiterbildungen für die Zukunft fit machen. Dazu kann auch gehören, das eigene Geschäftsmodell im Hinblick auf die digitale Transformation zu überdenken und die fachlichen Kompetenzen für einzelne Unternehmensbereiche gezielt zu vertiefen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Firma MWB, die zur Dirks Group aus Emden gehört. Die MWB rüstet Spezialfahrzeuge wie Lastkraftwagen um. Da die Verpflichtung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes auch Linienbusse betrifft, will das Unternehmen diese Busse auf einen elektrischen Antrieb umrüsten. Der gezielte Ausbau der unternehmerischen Tätigkeiten erstreckt sich also auf den Trend zu klimafreundlicher elektrischer Energie.
Dafür müssen Mitarbeiter und gelernte Kfz-Mechatroniker statt Verbrennerfahrzeuge an Hochvoltfahrzeugen mit Hochspannungsbatterien arbeiten – und die Arbeit muss natürlich sicher sein gemäß geltender Vorschriften (DGUV V 3). Mithilfe einer speziellen Weiterbildung, die vom BNW organisiert wurde, eigneten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das für diese Tätigkeiten benötigte Know-how an. Vier Mitarbeitende der Firma MWB sind nun in der Lage, unter Hochspannung an Nutzfahrzeugen zu arbeiten und das gemäß der Vorschrift der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Keine leichte Herausforderung: Die Auswahl an vollelektrischen Nutzfahrzeugen ist in Deutschland noch sehr gering, also können Firmen bei Umbau und Instandsetzung nicht auf die Erfahrung und Typenvielfalt zurückgreifen, die es schon bei den PKWs gibt.
Deswegen leistete das Bildungswerk hier richtig Pionierarbeit – gemeinsam mit seinem Wissenschaftspartner, dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen.
Ob es um den Umstieg auf Elektromobilität oder neue Herausforderungen in Produktionsunternehmen geht – überall werden die Berufsbilder aus dem Bereich IT und Elektro wichtiger und können die krisenbedingten Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt abmildern.
Elektrotechnik und Automobilindustrie
Nutzfahrzeuge werden mithilfe der Elektrotechnik auf einen klimafreundlichen Verbrauch von elektrischer Energie vorbereitet und auch die Zulassungszahlen für Elektroautos und Plug-in-Hybriden stiegen 2020 um 147 Prozent. Doch es fehlen Fachkräfte, um diesen Bedarf abzubilden.
Die Lösung ist ein Qualifizierungsplan, der im Unternehmen aufgestellt wird, um Mitarbeiter weiterzuentwickeln. Ein Viertel der vollelektrischen Autos auf deutschen Straßen stammt aus Niedersachsen. Mit seiner E-Mobilitätsoffensive schaffte VW bereits viele Meilensteine in diesem Wachstumssegment. Hausintern bildet das Unternehmen in seiner Fakultät 73 Softwareentwickler aus. Hier arbeitet der Konzern eng mit dem BNW zusammen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zuvor einen Fachinformatiker*in für Anwendungsentwicklung abgeschlossen haben, absolvieren die Ausbildung zum Junior Software Developer.
Jeder Ausbildungsdurchgang besteht aus 100 Teilnehmenden, die sich aus internen Mitarbeitern des VW Konzerns und externen Bewerbern zusammensetzen. Einstellungsvoraussetzung für die Übernahme in den Konzern nach absolvierter Ausbildung zum Junior Software Developer ist ein bereits erworbener Abschluss zur/zum Fachinformatiker*in für Anwendungsentwicklung. Die Ausbildung zum Softwareentwickler bei VW dauert zwei Jahre.
Im Anschluss übernimmt das BNW und vermittelt in einer 2,5 monatigen Anschlussqualifizierung zusätzliche Inhalte für die Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer. Dazu gehören die Themen IT-Sicherheit, Netzwerktechnik, Grundlagen der Elektrotechnik, Wirtschaft und Soziales sowie klassische Prüfungsvorbereitung.
Mithilfe von Fördergeldern nach dem Qualifizierungschancengesetz ist der Ausbau von geprüften Kompetenzen sogar mit der Unterstützung der Agentur für Arbeit möglich.
Mit einer Weiterbildung Elektrotechnik zum Innovationsführer werden
Ein speziell niedersächsisches Förder-Programm bringt derweil Marktführer aus dem KMU-Bereich hervor. Wie wurde die Kampmann Group aus Lingen zu einem der führenden Unternehmen der TGA-Branche? Das Unternehmen setzt vor allem auf Weiterbildungen in der Elektrotechnik. Diese wurden vom BNW konzipiert und im Rahmen des niedersächsischen Förderprogramms „Weiterbildung in Niedersachsen“ (WiN) unterstützt.
Fachunterricht vor Ort, Online-Lektionen und praktisches Lernen in der Werkstatt schafften Abwechslung für die Weiterbildenden. Gleichzeitig konnten die Weiterbildungsmaßnahmen auf diese Weise in die täglichen Anforderungen der Arbeit integriert werden.
Auf diese Weise wachsen bei der Kampmann Group die Bereiche Elektronik und Metall immer enger zusammen. Entsprechende Fachkompetenzen wurden aufgebaut und geschult. Elektrotechniker müssen nicht sofort hinzugezogen werden. Einfache Arbeiten wie Beurteilungen oder Messungen können von den weitergebildeten Mitarbeitenden zukünftig selbst durchgeführt werden. Mit dieser Ausrichtung konnte das Unternehmen intern viele interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen. Der Fachkräftemangel wird bei diesem Unternehmen noch intern abgedeckt.
Prüfung zur Elektrofachkraft bestanden
Am 10. September 2020 startete bei der Kampmann Group in Lingen die interne Weiterbildung zur Elektrofachkraft für vier Mitarbeiter aus der Produktion und Qualitätssicherung.
Das Lehrgangskonzept wurde vom Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft (BNW) speziell auf die Belange des Unternehmens zugeschnitten. Zusätzlich konnte in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim (IHK) eine Zertifizierung der Weiterbildung ermöglicht werden. Das Projekt wird durch das niedersächsische Programm „Weiterbildung in Niedersachsen“ (WiN) gefördert.
Alle vier Teilnehmer, Uwe Koopmann, Jörn Oldenhofe, Vitalij Maschke und Ferdison Quni haben sich nun Ende April erfolgreich der praktischen und theoretischen Prüfung unter Leitung eines IHK-Prüfers gestellt.
Leider hat die gegenwärtige Pandemielage dazu geführt, dass eine persönliche Zertifikatsübergabe nicht möglich war, sondern nur ein “virtueller Kursabschluss” via Internet stattfand. Dabei war auch der Kursablauf nicht immer einfach: Teilnehmer und Dozenten mussten unter strengen Hygiene- und Distanzauflagen manche organisatorische Herausforderung und auch technische Hürden im Online-Lernen meistern.
Fachlich ist die Materie zudem anspruchsvoll gewesen- zumal die Ausbildungszeit bei allen Teilnehmern schon eine Weile zurückliegt. Das weiß auch Martin Weßling von der Kampmann-Geschäftsleitung zu würdigen: Er sprach seinen Mitarbeitern Anerkennung aus, die “nach langer Lernabstinenz wieder neu gestartet haben: Glückwunsch an Sie für die erfolgreichen Prüfungen und das Durchhalten!”
Dass sich die Anstrengungen für die Teilnehmer gelohnt haben, bestätigt auch Dr. Maria Deuling, Leiterin Prüfungswesen der IHK: “Mit dieser Qualifizierung sind Sie sehr gefragte Mitarbeiter – Sie haben Leistungsbereitschaft und berufliches Engagement gezeigt.“
Björn-Ole Böttcher, Verantwortlicher für die technische Weiterbildung beim BNW, betont die gute Zusammenarbeit mit der IHK und dem Prüfer: Die Abstimmung lief “hervorragend, rasch und unkompliziert”. Und auch von den Teilnehmern gibt’s noch ein Lob für das Engagement der Fachdozenten: “Das war klasse”, so Teilnehmer Uwe Koopmann zum Fachdozenten des BNW, Uwe Barein.
Fazit Weiterbildung Elektrotechnik
Trotz Krise können IT-Branche und Elektroindustrie neue Jobs schaffen – wenn Qualifizierungsanbieter die Fachkräftelücken zu schließen wissen. Bei den großen Automobilkonzernen, aber auch bei den Mittelständlern wächst der Bedarf an technischer Qualifizierung. Die Automatisierung in der Logistik und der Produktion stellt Ansprüche an die Ausbildung. Herausforderungen entstehen durch den Einsatz neuer Technologien als auch durch die Nachqualifizierung der Beschäftigten. Die Veränderungen erfordern viel Flexibilität von den Mitarbeitenden. Ebenso benötigen sie Weiterbildung, wenn sie die Anlagen bedienen und weiterentwickeln sollen.