Die Organisation von Arbeit wandelt sich derzeit rasant – getrieben durch digitale Technologien. Wie wir zukünftig wirtschaften, leben und arbeiten, wird zunehmend von Vernetzung und informationstechnischem Fortschritt geprägt. Dadurch entstehen intelligente, informationsbasierte und hochvernetzte Arbeits- und Lebenswelten, die das traditionelle Berufskonzept in Deutschland auf den Prüfstand stellen. Entscheidend wird sein, ob dieses Konzept weiterhin auf gesellschaftlicher und individueller Ebene trägt und wie sich die berufliche Bildung anpassen muss.
Gesellschaftliche Ebene
Das „Normalarbeitsverhältnis“ löst sich zunehmend auf. Mit mobilen Arbeitsformen kommt es zu Entgrenzungen in zeitlicher, räumlicher und sozialer Hinsicht. Dies schafft neue Möglichkeiten, birgt aber auch Risiken, etwa bei der gesellschaftlichen Teilhabe.
Betriebliche Ebene
Seit den 1990er-Jahren hat sich die Betriebsorganisation von funktionalen zu prozess- und projektorientierten Strukturen gewandelt. Agile Managementkonzepte sollen diesem Wandel gerecht werden. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an Beschäftigte, immer mehr Übergänge im Erwerbsleben zu bewältigen – ob zwischen Aufgabenbereichen oder Unternehmen.
Qualifikationsanforderungen
Die berufswissenschaftliche Forschung unterscheidet vor allem zwei Szenarien: Im „Werkzeugszenario“ entstehen Expertensysteme, die Fachkräfte unterstützen, während im „Automatisierungsszenario“ menschliche Tätigkeiten durch fortgeschrittene Technik an Bedeutung verlieren. Unstrittig ist, dass neben Fachwissen auch Prozess- und Steuerungskompetenzen für die Planung und Kontrolle komplexer Systeme unverzichtbar werden. Ein Großteil der Arbeitsplätze in Deutschland ist ohnehin durch komplexe Aufgaben und unvorhersehbare Situationen geprägt.
Neue Berufsbilder und Lernwege
Für Metall- und Elektroberufe mehren sich Hinweise auf prozessbezogene Arbeitsinhalte und sogenannte Hybridberufe. Studien zeigen, dass beispielsweise Industriemechaniker:innen, Mechatroniker:innen, Elektroniker:innen für Automatisierungstechnik und Fachinformatiker:innen besonders gefragt sein werden. Gleichzeitig entstehen zunehmend duale und berufsbegleitende Studiengänge, die als „hybride“ Bildungswege jedoch oft kaum an etablierte Berufsausbildungsstandards gebunden sind. Ob sie berufliche Handlungskompetenzen im Sinne der betrieblichen Praxis vermitteln, bleibt teils offen.
Ausblick
Das deutsche Duale System konnte Krisen bisher erfolgreich begegnen, weil es dank enger Verzahnung von Arbeit, Technik und Bildung sehr innovationsfähig ist. Zahlreiche modernisierte Ausbildungsberufe und das pädagogische Konzept der beruflichen Handlungskompetenz belegen, dass unser Berufsbildungssystem „4.0-fähig“ ist. Handlungsbedarf besteht jedoch in der Entwicklung individueller, flexibler und betriebsnaher Lernangebote, damit Beschäftigte die steigende Komplexität und Unbestimmtheit im digitalen Wandel meistern können. Gerade im Mittelstand fehlen häufig noch Strategien, um Arbeitswelt-4.0-Konzepte umzusetzen. Politik, Unternehmen, Gewerkschaften und Bildungsträger sind deshalb gefordert, die digitale Transformation in technischer und sozialer Hinsicht aktiv zu gestalten.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Rita Meyer
Quellen (Auswahl)
Arbeitsvermögen-Index (AVI): sabine-pfeiffer.de/files/downloads/2015-Pfeiffer-Suphan-final.pdf
Studie zu Industrie 4.0: baymevbm.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Bildung/2016/Downloads/baymevbm_Studie_Industrie-4-0.pdf
Substituierbarkeitspotenzial laut IAB: doku.iab.de/kurzber/2018/kb0418.pdf
Digitalisierung in der Chemischen Industrie (Leibniz Universität Hannover)
„Hybride“ Bildungsformate: boeckler.de/pdf/p_study_hbs_375.pdf, boeckler.de/pdf/p_study_hbs_396.pdf