Ausgehend von der Frage danach, welche Rolle der Mensch zukünftig in der vernetzen Arbeit einnehmen und wie sich die Interaktion an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik verändern wird, werden unter den Stichworten „Arbeit 4.0“ und „Industrie 4.0“ Szenarien für die Zukunft beschrieben: Die berufswissenschaftliche Forschung prognostiziert in qualifikatorischer Perspektive im Wesentlichen zwei Entwicklungsszenarien: In einem Werkzeugszenario entwickeln sich im Rahmen der Digitalisierung Expertensysteme mit Werkzeugcharakter, die die qualifizierten Fachkräfte bei ihrer Arbeit unterstützen. Dem steht ein Automatisierungsszenario gegenüber, in dem die Tätigkeit von Fachkräften durch das Vordringen avancierter Technik bei Anlagen und Maschinen, Produktion und Logistik an Bedeutung verliert. Welches Szenario tatsächlich Realität wird, das entscheidet sich in der konkreten Arbeitsorganisation der Betriebe.
Welche inhaltlichen und fachlichen Qualifikationsanforderungen zukünftig konkret in einzelnen Tätigkeitsfeldern und Branchen benötigt werden, ist offen. Unstrittig ist jedoch, dass perspektivisch neben dem Fachwissen zunehmend Prozess- und Steuerungskompetenzen gefordert sind, die sich auf die Planung und Kontrolle komplexer Produktionssysteme richten. Diese wiederum sind eingebettet in betriebliche Kontexte und eng gekoppelt an die Geschäfts- und Arbeitsprozesse, was dazu führt, dass ein spezifisch fachsystematisches Spezialwissen nicht reicht, um den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen. Ein Grund dafür ist, dass schon heute laut dem „Arbeitsvermögen- Index“1 (AVI) ein großer Teil der Arbeitsplätze in Deutschland nicht durch Routinetätigkeiten gekennzeichnet ist, sondern sich überwiegend durch komplexe Aufgaben und dem Handeln in nicht-standardisierten, unvorhersehbaren Situationen auszeichnet: 74% aller Erwerbstätigen müssen täglich Wandel und damit verbunden Unwägbarkeiten bewältigen, wobei Berufsfelder mit einem eher niedrigen AVI (wie z.B. Logistik „Packer/innen, Lager-und Transportarbeiter/innen“) und mit einem hohen AVI (z.B. IT-Kernberufe) zu unterscheiden sind.
Für die Berufsfelder Metall- und Elektrotechnik belegen diverse empirische Untersuchungen, dass vor allem prozessbezogene Tätigkeiten an Bedeutung gewinnen und dass ein deutlicher Trend der Entwicklung zu Hybridberufen erkennbar ist. Eine Studie der Universität Bremen im Auftrag der Bayrischen Metall- und Elektroindustrie2 kommt zu dem Schluss, dass die Facharbeiterberufe für den digitalen Wandel durchaus gerüstet sind, dass jedoch kurz- und mittelfristige Anpassungen in den unterschiedlichen Berufsprofilen vorgenommen werden müssen. Die Autoren identifizieren in einem Abgleich zwischen bestehenden Berufsbildern und neuen Qualifikationsanforderungen aufgrund des Einflusses von Industrie 4.0 für die Produktionssteuerung vier besonders relevante Berufsprofile: Industriemechaniker/-in, Mechatroniker/-in, Elektroniker/-in für Automatisierungstechnik sowie Fachinformatiker/-in. Demgegenüber verlieren Berufe im Feld der Fertigung und Instandhaltung im Zuge der digitalen Transformation demnach deutlich an Bedeutung. Im Industriesektor und insbesondere in den Fertigungs- und fertigungstechnischen Berufen liegt laut Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB)3 grundsätzlich das höchste Substituierbarkeitspotenzial von Berufsbildern, während es in den sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen am niedrigsten ist.
1. https://www.sabine-pfeiffer.de/files/downloads/2015-Pfeiffer-Suphan-final.pdf ↩
2. https://www.baymevbm.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Bildung/2016/Downloads/baymevbm_Studie_Industrie-4-0.pdf ↩