Interview mit Dr. Bernd Mundt, Aufsichtsratsvorsitzender BNW

Wir brauchen Bildung, die Lust auf Veränderung macht und die Möglichkeiten dafür schafft.

Herr Dr. Mundt, worin liegen für Sie die größten Aufgaben, die die Wirtschaft in nächster Zeit zu bewältigen hat?

Ich denke, da sprechen wir über die vier großen „D‘s“. Neben der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung von Produktions- und Geschäftsprozessen brauchen wir Lösungen für die Dekarbonisierung der Wirtschaft, d. h. für klimaneutrale Produktionsweisen. Aus den Krisen der vergangenen zwei Jahre ist das Thema Deglobalisierung hervorgegangen. Hier sprechen wir über Produktionsfähigkeit im Inland und die Sicherung von Lieferketten. Und zuletzt das Thema Demografie – welche Lösungen finden wir für den Fachkräftemangel, wie gestalten wir altersgerechte Arbeitsplätze und wie organisieren wir den Know-how-Transfer, wenn ganze Kohorten mit ihrem Erfahrungswissen die Unternehmen verlassen.

Welche Aufgaben hat hier die berufliche Bildung?

Die berufliche Bildung ist der wesentliche Baustein, den Strukturwandel zu gestalten. Ohne die entsprechenden Fähigkeiten der Menschen werden innovative Technologien ihre Potenziale nie vollständig entfalten können. Und ohne ein permanentes Update der eigenen Kompetenzen werden wir mit den technologischen Möglichkeiten nicht mehr zurechtkommen. Am Ende ist das ja genau der Grund, warum die Arbeitgeber in Niedersachsen vor 53 Jahren das Bildungswerk gegründet haben: Unternehmen gut qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte zu ermöglichen und Menschen die berufliche Teilhabe zu sichern.

Heute geht es dazu noch darum, die Kompetenzen auf regionaler wie überregionaler Ebene zu bündeln, um schlagkräftige wie individuelle Lernlösungen zu ermöglichen. Das tut das BNW in zahlreichen Projekten wie dem  Regionalen Zukunftszentrum Nord, dem Bildungsökosystem Nordwest, den  Transformationslotsen oder der Sozialpartnerschaft Transformation.     

Was braucht es vonseiten der Politik, damit berufliche Bildung im Strukturwandel gelingt?

Unser Bildungswerk hat eine Brückenfunktion zwischen den Arbeitsmarktinstrumenten der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den Bedarfen der Unternehmen. Es ist erklärtes Ziel der BA, die Qualifizierung von Beschäftigten stärker zu forcieren. Da braucht es deutlich flexiblere Förderinstrumente, z.B. durch Modularisierung. Lernzyklen mit über 120 Stunden, wie sie die BA fördert, sind für Unternehmen kaum leistbar. Der limitierende Faktor für Fortbildung ist weniger das Geld als die Zeit der Beschäftigten, die während einer Fortbildung der Produktion nicht zur Verfügung stehen. Es sollte eine outputorientierte statt einer curricular inputorientierten Bildung gefördert werden. Der Fokus muss auf nachhaltig vorhandenen Fähigkeiten, Bereitschaften und Kompetenzen liegen, nicht auf vorab definierten Lerninhalten. Auch eine höhere Durchlässigkeit zwischen den Instrumenten der Bundesagentur für Arbeit auf Bundesebene und auf regionaler Ebene ist wichtig. Am Ende brauchen wir Bildung, die wieder Spaß macht. Denn wir brauchen Menschen, denen es Spaß macht, sich zu verändern und an Veränderung mitzuwirken.