„Diese Folge müssen Sie sich unbedingt anhören!“, zum Auftakt des Gesprächs mit Gisela Strnad gibt es den einen oder anderen Hörtipp. Bis Ende 2022 war sie für die Konzeption und die Umsetzung des Podcasts „Heise meets….“ Verantwortlich. Noch einmal pro Monat ist sie bis Ende 2023 Gastgeberin. Davor hat sie sechs Jahre den Bereich Heise Events bei Heise Medien geleitet und verantwortet. Ihre Themen Digitalisierung und Transformation und Mut. „Ich habe in meinem Leben fünf verschiedene Berufe gehabt. Ich bin immer aufgrund von Interesse in die Berufe und Jobs reingewachsen, die mich interessiert haben“, sagt sie. Jetzt ist Sie u.a. noch freiberuflich bei der politischen Beratungsfirma 42.0 GmbH tätig.
Was bewegt Sie als Mitglied des BNW-Aufsichtsrats gegenwärtig besonders?
Wie alle Bildungseinrichtungen, die es schon lange gibt, ist das BNW in einer Übergangsphase. Weiterbildung und Fortbildung verändern sich und werden sich in der Zukunft komplett verändern müssen. Durch die Digitalisierung unserer Arbeitsabläufe und Arbeitswelt benötigen wir neue Lerninhalte und neue Lernmethoden. Viele Jahre war das BNW geprägt, Präsenzformate für die Bundesagentur für Arbeit oder für Beschäftigte aus Unternehmen zu gestalten. Hier musste sich das BNW, auch durch die Pandemie, in den letzten Jahren bereits verändern. Heute werden Online-Seminare, der Einsatz von VR-Technologie und verschiedene Lernplattformen angeboten. Die große Herausforderung besteht jetzt darin, diese Übergangsphase aktiv zu gestalten, weitere neue Formen des Lernens zu entwickeln und dies gemeinsam mit Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern umzusetzen.
Viele Unternehmen geben an, fehlende Fachkräfte seien ihr größtes Hindernis für die Digitalisierung. Wie können wir künftige Bedarfe decken?
Unbesetzte Stellen in IT-Berufen sind u.a. ein Teil des Fachkräftebedarfs in Deutschland. Lt. BITKOM waren 2022 137.000 Stellen im IT-Bereich unbesetzt. Für den IT-Bereich gilt u.a., dass wir mehr Frauen und Vielfalt in diesem Bereich brauchen, um diverse Perspektiven in die Entwicklung von Produkten und Lösungen einzubringen. Erste Studien, sagen, dass bis 2025 branchenübergreifend eine Million Stellen unbesetzt bleiben. Wir haben die Arbeit, aber immer weniger Menschen, die diese Arbeit übernehmen können. KI kann uns dabei helfen, Routineaufgaben abzugeben, damit sich Arbeitnehmer:innen anderen Tätigkeiten widmen können. Als Beschäftigte sollten wir davor keine Angst haben. Neu denken ist für mich in vielerlei Hinsicht entscheidend. Was wir brauchen sind individuelle und flexible Formen der Fortbildung und Umschulung und eine neue Lust auf lebenslanges Lernen. Wir müssen uns öfter fragen, was wichtig ist: Ein Zertifikat oder die Persönlichkeit, die es für einen bestimmten Job braucht? Viele Personalberatungsunternehmen sagen, wir schauen nur noch zu 50 Prozent auf das, was in den Zeugnissen steht – die anderen 50 Prozent müssen individuell erlernt werden. „Ich denke, es ist immer noch wichtig, eine gute Ausbildung oder Studium zu haben, aber es ist in unsere schnell verändernde Welt nicht mehr ausschlaggebend, mit einem Zertifikat erlerntes von vor 10 Jahren nachzuweisen“.
Der von Arbeitsminister Hubertus Heil initiierte Expertenrat „Rat der Arbeitswelt“ sagt, Weiterbildung muss gestärkt werden, damit Beschäftigte neue Jobanforderungen bewältigen können. Wie kann Lernen im Berufsalltag aussehen?
Veränderte Aufgabenbereiche, Job- und Branchenwechsel werden für viele von uns im Zuge von Digitalisierung und KI immer wahrscheinlicher und selbstverständlicher. Deshalb werden wir künftig auch nach einem Abschluss weiterlernen müssen. Fachliches Wissen überholt sich viel schneller als in der Vergangenheit. Aber: Wie können wir Lernen in ein durchgetaktetes Arbeits- und Privatleben integrieren? Der Kopf fürs Lernen muss frei sein? Hierfür müssen Unternehmen und Bildungsexperten: innen die richtigen Konzepte finden. Konzepte die Lust machen und an relevante Fragen andocken. Ich lerne gerade Spanisch mit einer App, da bin ich zeitlich wie örtlich flexibel, erstelle mir selbst Lern- und Prüfungspläne, kann andere Lernende in einem Online-Café treffen und Vokabeln und Grammatik auf meinem Handy lernen. Ich werde begleitet und nicht allein gelassen, aber ich kann mir alles so aussuchen, wie ich es für mich brauche und wie es in meinen Alltag und in mein Berufsleben passt. Wir müssen auch im Arbeitskontext dahinkommen, dass ich als Mitarbeitende sage, jetzt ist Lernzeit. Dafür sind Freiräume wichtig. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe IT-Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden einen halben oder sogar einen Tag pro Woche für Weiterbildung freistellen. Die Unternehmen vertrauen ihren Mitarbeitenden, dass die Zeit auch für Lerninhalte genutzt werden. Für Beschäftigte in IT-Berufen ein echter Benefit, da die Entwicklung hier sehr schnell voranschreitet. Mitarbeitende brauchen Freiräume für ihre berufliche Weiterentwicklung. Anders geht es künftig nicht mehr. Ich glaube, das sind heute wichtige Voraussetzungen, die ich als Unternehmen brauche: ein lernendes Umfeld.
Wie können Lernformate aussehen, die Lust aufs Lernen machen?
Je mehr digitale Angebote, Videokurse, Lernplattformen es gibt, umso einfacher ist es für Mitarbeitende zu sagen, ich integriere Lernen in meinen Arbeitsalltag und nehme mir regelmäßig Lernzeiten. Das Schöne am digitalen Lernen ist, dass alles als Konserve da ist. Ich kann jederzeit wieder zurückgehen, wenn ich irgendwas nicht verstanden habe und kann es mir nochmal anhören oder Übungen so oft durchführen bis ich es verstanden habe. Natürlich gibt es weiter Themen, für die es auch persönliche Formate braucht. Aber selbst Coaching kann über eine App funktionieren und lässt sich so viel leichter in den Arbeitsalltag einbinden.
Wie gelingt es uns, schneller in der Digitalisierung zu werden?
Wir müssen einfach mutiger sein und bestehende Prozesse und Konzepte schneller verändern. Es fängt schon in den Schulen an. Wir sind aus dem „Kreidezeitalter“ noch nicht rausgekommen. Hier geht es nicht nur um Rechner, sondern auch um die richtigen Lernkonzepte. In Dänemark gibt es z.B. Innovation Hubs in Schulen und Coding Lehrgänge für Grundschüler. Dieses frühe digitale Wissen begleitet die Schüler:innen den Rest ihres Lebens. Heute muss Digitales Wissen ein Grundwissen, wie lesen, schreiben, rechnen sein. Das ist nur ein Punkt wie wir zukünftig schneller werden könnten. Zudem brauchen wir in Unternehmen, Verwaltungen und auch im privaten Leben mehr Mut und weniger Ängste uns mit digitalen Themen zu beschäftigen. Oft bremsen Vorurteile und Ängste, neue Wege zu gehen.
Was können kleine und mittelständische Unternehmen tun?
Dazu ein Beispiel: Ich hatte im letzten Jahr einen Podcast mit dem Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens aus Niedersachsen. 60 Mitarbeitende und es wird ein eigentlich sehr analoges Produkt hergestellt. Aber in der Verwaltung, in der Produktion und beim Produkt ist das Unternehmen bereits sehr digital und sehr international arbeitet. Als Unternehmer:in muss ich verstehen, dass ich mich mit meinem eigenen Unternehmen den Herausforderungen der Digitalisierung stellen muss, wenn ich weiterhin erfolgreich sein will. Auch wenn das vielleicht schwierig ist, weil auf den ersten Blick die passenden Mitarbeitenden fehlen. Dann muss ich trotzdem neue Wege suchen. Das BNW qualifiziert Mitarbeitende zu Transformationslotsen®, die Kolleg: innen mitziehen und Veränderungsprozesse aus dem Unternehmen heraus anschieben. Hier ist das BNW mit seinen regionalen Angeboten und Netzwerken ein perfekter Partner. Auch bei der Frage: Wie sind denn die Skills der Mitarbeitenden und wo müssen wir wen weiterentwickeln
Chancen für Beschäftigte in der Digitalisierung?
Veränderung! Wenn ich irgendetwas tue, bei dem ich mich quäle, habe ich heute die Chance, etwas zu verändern. Dafür gibt es eine Bundesagentur für Arbeit. Dafür gibt es ein BNW. Dafür gibt es vom Staat Weiterbildungsprogramme. Auch wenn ich noch in einem Job bin, kann ich alles nutzen. Ich glaube, das ist eine Riesenchance für jeden Arbeitnehmenden. Ich brauche heute keine Angst mehr zu haben mich beruflich zu verändern. Ich muss nur wissen, was ich will. Zur Veränderung gehört auch immer Weiterbildung, Ausbildung und Mut. Natürlich können Dinge schief gehen. Dafür brauchen wir einen entspannteren und positiveren Umgang mit Misserfolgen und Fehlern. Für uns Deutsche ist das immer noch etwas Negatives. Eine positive Einstellung zur Fehlerkultur müssen wir stärker in unserm Alltag integrieren. Meine Erfahrung ist, wenn ich etwas mit Herzblut mache, kann das Unternehmen und ich als Person nur gewinnen. Zudem werden wir den Prozess der Digitalisierung im Berufsleben nicht mehr zurückdrehen können. Vieles wird dadurch auch besser und interessanter.